• Wirklichkeit als Fiktion –

    Fiktion als Wirklichkeit

    Realitätsbegriff und expressionistische Poetik

    im literarischen Werk von Robert Müller (1887-1924)

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    Torsten Henning Hensel

    Dieser Text erschien ursprünglich als

    Magisterarbeit im Fach Neuere Deutsche Literaturwissenschaft

    an der Philosophischen Fakultät der Universität des Saarlandes

    im September 2000

  • In einer Zeit der Verunsicherung, wenn nicht gar Verabschiedung eines rationalistischen und deterministischen Weltbildes machte sich eine Generation junger Autoren auf, ein Weltbild zu gestalten, das auch das Alogische, das Irrationale und das Zufällige miteinschließen sollte. Die Revolte zahlreicher Expressionisten wendete sich gegen einen Realitäts- und Realismusbegriff, der die äußere Wirklichkeit absolut setzte und dem das Subjekt nur ein Objekt war, dessen Subjektivität nichts galt. Mit der Absolutsetzung des Ichs wurde die Welt nun wieder an das Subjekt gebunden und als dessen Fiktion erklärt, die Fiktion selbst wiederum als die "neue" Wirklichkeit. Der Dekonstruktion der "objektiven" Wirklichkeit folgte so ihre subjektivistische Rekonstruktion, der Entmythisierung die Remythisierung unter dem neuen Vorzeichen des Ichs.

     

    Als einer jener Expressionisten, deren Werk sich in diesem Spannungsfeld aus Dekonstruktion und Neuem Mythos bewegt, darf Robert Müller (1887-1924) angesehen werden. Seine Romane und Erzählungen widmen sich dem Hinterfragen des scheinbar Offensichtlichen, dem Entlarven des schönen Scheins, dem Um-, Neu- und Andersdenken, dem Paradoxen und dem Alternativen. Müller begreift Wirklichkeit als etwas Konstruiertes und Synthetisiertes. Sein Augenmerk gilt dabei vor allem der Sprache, die als Erkenntnis- und Vermittlungsinstanz Wirklichkeiten beschreibt und damit fest- und fort-schreibt. Die so generierten Wirklichkeiten lassen sich im Akt des Schreibens aber auch um-schreiben und neu-schreiben.

     

    "Wirklichkeit als Fiktion – Fiktion als Wirklichkeit" heißt daher auch der Titel dieser Arbeit, deren Ziel es ist, zu zeigen, wie Müller in den jeweiligen Werken 'Realität' einerseits in Frage stellt, andererseits neu entwirft – als Produkt und Ergebnis nämlich von Imagination, Konstruktion, Abstraktion, Medienfiktion und Projektion.

  • INHALTSVERZEICHNIS

     

    Einleitung:
    Thema, Erkenntnisinteresse und Forschungslage

    Erschütterungen des Realitätsbegriffs um 1900
    Robert Müller und die Fiktionalität der Wirklichkeit

    Textanalysen:
    Realität als Imagination: Irmelin Rose (1914)
    Realität als Konstruktion: Tropen (1915)
    Realität als Abstraktion: Das Inselmädchen (1919)
    Realität als Medienfiktion: Der Barbar (1920)
    Realität als Projektion: Camera Obscura (1921)

    Zusammenfassung:

    Die expressionistische Poetik Robert Müllers
    Scheitern und Hoffen – Hoffen und Scheitern:

    Die Utopie vom "Neuen Typus" im Kontext von Robert Müllers "Realitätsbegriff"

    Literaturverzeichnis

  • Robert Müller (* 29. Oktober 1887 in Wien; † 27. August 1924 ebenda) war ein österreichischer Schriftsteller, Journalist und Verleger. Während er als Essayist umstritten ist, gilt sein Roman Tropen. Der Mythos der Reise (1915) als ein Meisterwerk des deutschen Exotismus der Jahrhundertwende.